Wenn wir das Thema "Erziehung von Drittkulturkindern" (d.h. eines Kindes mit verschiedenen, elterlichen Kulturhintergründen) diskutieren, betrachten wir dieses Thema normalerweise aus unserer eigenen Perspektive - der Perspektive eines Erwachsenen. Und da uns das Wohl unserer Kinder sehr am Herzen liegt, haben wir keinen Zweifel daran, daß wir die bestmögliche Wahl für unsere Kinder treffen. Aber weil Kinder ihre eigene Perspektive haben, verstehen sie möglicherweise nicht nur unsere Absichten falsch, sondern haben vielleicht sogar das Gefühl, daß wir gegen sie arbeiten! Um Ihnen zu helfen und um dieses Alptraumszenario zu vermeiden, habe ich beschlossen, diesen kurzen Artikel über einige Fehler und Fallen zu schreiben, die interkulturelle Paare bei der Erziehung ihres Drittkulturkindes vermeiden sollten.
Ich selber wurde in Polen als Tochter einer polnischen Mutter und eines italienischen Vaters geboren. Die Beziehung meiner Eltern endete bald und ich, in Polen geboren und aufgewachsen, hatte wenig bis gar keinen Kontakt zur italienischen Sprache oder Kultur. Als ich acht Jahre alt war, drehte sich aber alles. Meine Mutter traf meinen Stiefvater, einen Italiener, der in Polen Geschäfte machte. Als ich neun Jahre alt war, zogen meine Mutter und ich für ein Jahr nach Italien, und von da an besuchten wir jedes Jahr Polen in den Ferien. Obwohl meine Erfahrungen als Kind einer Drittkultur überwiegend positiv waren, können Sie hier eine Liste von 10 kleinen Fehlern finden, die meine Mutter und mein Stiefvater gemacht haben und die durchaus hätten vermieden werden können:
Fehler Nr. 1: Sprachenlernen zu einer negativen Erfahrung machen
Meine Mutter war beschäftigt mit ihrer Arbeit und konnte mir daher kein Italienisch beibringen. Aus diesem Grund war mein Lehrer eine italienische Nonne, die in Polen arbeitete. Die Nonne sprach aber kein Polnisch und war immer sehr ernst. Ich hatte große Angst vor sprachlichen Missverständnissen. Ich fing schnell an, unsere gemeinsame Zeit und damit auch die italienische Sprache nicht zu mögen.
So vermeiden Sie es: Machen Sie Ihrem Kind das Lernen von Sprachen zu einem spaßigen Erlebnis. Wählen Sie einen Lehrer, bei dem sich Ihr Kind wohl fühlt. Und wenn Sie Kinder ermutigen möchten, mehr zu lernen, machen Sie das Sprachenlernen zu einem Spiel. Benennen Sie Objekte im Raum, erzählen Sie Witze, die nur sie beide kennen, oder aufregende Geschichten.
Was mich schließlich dazu inspirierte, Italienisch zu lernen, war der W.I.T.C.H. Comic. Ich war bereits ein Fan davon in Polen. Als ich entdeckte, daß diese auch in Italien veröffentlicht wurden, war ich hochmotiviert Italienisch zu lernen. Auf diese Weise konnte ich diese Abenteuer und meine Lieblingsgeschichte weiter verfolgen.
Fehler Nr. 2: Das Hauptziel des Lernens einer zweiten Sprache nicht erklären
Als meine Mutter und mein Stiefvater eine Beziehung hatten und wir nach Italien zogen, hatte das Erlernen der italienischen Sprache endlich einen Sinn. Vorher konnte ich nicht verstehen, warum es wichtig sein sollte Italienisch zu lernen. Ich lebte in Polen und mein Vater und ich sprachen nur selten miteinander. Es gab keinen Grund Italienisch so ernst zu nehmen.
Leider ist diese Einstellung bei Kindern häufiger als Sie sich vorstellen können. Ich kannte ein halb polnisches, halb chinesisches Mädchen, das in Polen aufgewachsen war. Sie hatte eine großartige Beziehung zu ihrem polnischen Vater, aber eine schlechte Beziehung zu ihrer chinesischen Mutter - einfach weil die Mutter nicht regelmäßig mit ihr zusammen war.
Wenn Sie Ihr Kind alleine großziehen, sollten Sie auf Protest vorbereitet sein, die Sprache des nicht immer präsenten Elternteils zu lernen. Ein Kind versteht möglicherweise nicht, warum das Erlernen der Sprache eines abwesenden Elternteils wichtig ist, insbesondere wenn Sie das Land nicht regelmäßig besuchen.
So vermeiden Sie es: Machen Sie dem Kind klar, warum es die Sprache lernen soll. Teilen Sie mit dem Kind Ihre Sicht der Dinge, damit es versteht, warum Sie es zum Lernen auffordern.
Fehler Nr. 3: Dem Kind nicht ehrlich gegenüber sein, daß Sie dauerhaft in das andere Land umsiedeln
Als ich zum ersten Mal nach Italien ging, wusste ich nicht, dass wir für ein Jahr dorthin ziehen würden - schließlich hatten wir nur einen Koffer. Ich nehme an, meine Mutter wollte mir den Schock ersparen - aber dieser Ansatz schlug fehl. Anstatt die neue Realität zu akzeptieren, lebte ich dahin und wartete auf den Tag, an dem wir nach Polen zurückkehren würden.
So vermeiden Sie es: Seien Sie ehrlich zu Ihrem Kind. Wenn Sie vorhaben, dauerhaft umzuziehen, sagen Sie die Wahrheit. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie lange Sie möglicherweise im anderen Land bleiben, erklären Sie einfach, daß dies von vielen Faktoren abhängt (z. B. Ihrer Karriere oder Beziehung). Gehen Sie einfach nicht davon aus, daß Ihr Kind es nicht verstehen kann.
Fehler Nr. 4: Nicht oft genug die Heimat besuchen und den Kontakt zu zurückgelassenen Verwandten und Freunden verlieren
Als ich nach Italien zog war es 2005. Zu dieser Zeit waren internationale Anrufe etwas kostspieliger als heute. Ich hatte keinen Computer und Videoanrufe kamen damals nicht in Frage, da das Internet sehr langsam war. Wir haben auch keine sozialen Medien genutzt. Zu dieser Zeit wusste noch niemand von Facebook. Ich habe meinen Opa und meine Schulfreunde sehr vermisst.
So vermeiden Sie es: Seit 2005 hat sich viel geändert. Stellen Sie einfach sicher, daß Ihre älteren Verwandten mit neuer Technologie vertraut sind, damit Sie problemlos kommunizieren können. Bitten Sie Ihr Kind, die E-Mails und Social-Media-Namen seiner Freunde zu sammeln, bevor es die Schule verlässt. Planen Sie eine wöchentliche Zeit für Videoanrufe und intensive Kommunikation.
Fehler Nr. 5: Ein Kind zwingen, sich an die Kultur des zweiten Landes anzupassen
Als meine Mutter und ich nach Italien gingen, erwartete sie, dass ich mich total verändern und mich wie andere italienische Kinder verhalten würde: Das heißt zu Hause Italienisch sprechen, in einer italienischen Schule gut abschneiden und so weiter. Ich war darüber verärgert und rebellierte die ganze Zeit, was für meine Mutter ziemlich stressig war.
So vermeiden Sie es: Sagen Sie Ihrem Kind, dass es in Ordnung ist, so zu sein, wie es ist. Lassen Sie sie wissen, dass das Sprechen einer anderen Sprache die Identität nicht ändert - stattdessen hilft es einfach, im neuen Alltag besser zu funktionieren. Lassen Sie Ihr Kind gleichzeitig sein, wer es zu Hause sein möchte - lassen Sie es seine bevorzugte Sprache sprechen und Traditionen aus Ihrer Heimat feiern (auch wenn Sie sie vielleicht nicht mögen).
Fehler Nr. 6: Vergessen zu erklären, daß es absolut in Ordnung ist beide Kulturen zu lieben
Meine Grundschule in Polen hat dafür gesorgt, dass wir viele heimatverbundenen Werte gelernt haben. Durch den Umzug nach Italien und den Wechsel meiner Hauptsprache hatte ich das Gefühl, mein Land verlassen zu haben. Ich habe es nie gewagt, mich "una Italiana" (eine italienische Person) zu nennen, aus Angst, beschuldigt zu werden, "nicht polnisch zu sein".
So vermeiden Sie es: Sagen Sie Ihrem Kind, dass es hundertprozentig in Ordnung ist, beide Kulturen zu lieben und stolz auf sie zu sein. Obwohl Ihr Kind irgendwann entscheiden wird, wozu es sich zugehöriger fühlt, muss es diese Entscheidung nicht jetzt treffen.
Fehler Nr. 7: Vergessen zu sagen, was an dem neuen land so wundervoll ist
Meine Mutter mag keine langen polnischen Winter. Ich eigentlich auch nicht. Wir beide lieben stattdessen das Meer. In Polen muss man viele Stunden fahren, um an die Küste zu gelangen, während Italien fast vollständig von Wasser umgeben ist!
Aber bevor ich dorthin ging, hatte ich keine Ahnung, wie sehr ich die sonnigen Tage am Strand genießen würde. Und das Gleiche gilt für Ihr Kind - wenn Sie ihm nicht sagen, was im anderen Land so großartig ist, wird es dies ganz einfach nicht wissen!
So vermeiden Sie es: Sagen Sie Ihrem Kind, was das Gute an dem Land ist, in dem Sie leben werden. Wenn Sie es nicht erzählen, wer dann?
Fehler Nr. 8: Ihr Kind für längere Zeit allein lassen am neuen Ort
Meine Mutter und mein Stiefvater waren immer beschäftigt und haben gearbeitet. Als wir zum ersten Mal nach Italien zogen, war ich viel allein zu Hause. Es ist klar, daß es für mich nichts gab, was Spaß machte. Ich war unglaublich gelangweilt und fühlte mich einsam. Schließlich begann ich mit einem Tagebuch, um besser mit meinem neuen Alltag fertig zu werden.
So vermeiden Sie es: Lassen Sie sich nach Möglichkeit von Ihrem Kind begleiten. Wenn Sie das Kind nicht zur Arbeit oder zu einem Geschäftstreffen mitnehmen können, stellen Sie eine Hilfe ein oder lassen Sie Ihr Kind zumindest bei einem vertrauenswürdigen Freund zu Hause.
Fehler Nr. 9: Lassen Sie Ihr Kind nicht allein, wenn es schlechte Noten von einer neuen Schule mitbringt
Ich werde nicht lügen. Meine ersten zwei Monate in der neuen Grundschule in Italien waren hart. Ich hatte viele Kenntnisse und Wissen, aber es fehlte mir die Sprache, um mich auszudrücken. Und daher bekam ich schreckliche Noten.
Ich war wütend und meine Mutter noch mehr.
So vermeiden Sie es: Meine Mutter löste das Problem schließlich, indem sie mir bei den Hausaufgaben half und sicherstellte, daß ich auf den Unterricht mehr als vorbereitet war. Anfangs habe ich sogar alle Texte auswendig gelernt. Es war unglaublich schwierig. Bis heute habe ich keine Ahnung, wie ich das geschafft habe. Aber wenn Sie in einem fremden Land leben, lernt Ihr Gehirn am Ende doch schnell die neue Sprache.
Fehler Nr. 10: Ständig durch das neue Land reisen
Aus geschäftlichen Gründen reiste mein Stiefvater viel. Er bewegte sich immer zwischen verschiedenen italienischen Städten - und meine Mutter und ich taten dies zusammen mit ihm.
Aus diesem Grund habe ich jeden Sommer in Italien an einem anderen Ort verbracht. Obwohl ich viele schöne Städte gesehen habe, glaube ich, daß diese Erfahrung etwas destabilisierend war. Als ich aufwuchs, wurde mir klar, dass meine Teenagerjahre wirklich chaotisch waren.
So vermeiden Sie es: Wenn Sie aufgrund Ihrer Arbeit langfristig keine eigene Wohnung mieten können, versuchen Sie dennoch, eine Basis in einer Stadt zu haben und geben Sie Ihr Bestes um regelmäßig dorthin zurückzukehren.
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